Kinder im Wir-projekt

 

Ist es gut, wenn Kinder in Kommunen oder Projekten aufwachsen, statt in einer traditionellen Familie?

Diese Frage können eigentlich nur die Kinder beantworten, welche das miterlebten.

Hier eine Erinnerung von Leo Faber-Gretz. Einer vom IHNEN.

"Hi,

 

ich heiße Leo und bin am 30.05.1994 in Tübingen geboren. Meine Eltern wohn(t)en seit ich auf der Welt bin im wir-projekt.

Bis ich auf's Gymnasium ging, war das Haus ein voller Segen. Es waren noch die alten Zeiten des Hauses, an die sich viele noch erinnern. Es gab Platz, Gesellschaft und man war der King bei seinen Freunden.

Doch mit dem Beginn der Pupertät schämte ich mich für das Haus. "Ich bin anders aufgewachsen wir all meine Freunde und der Rest der Schule.", "Ich wohne in einem alten Fabrikgebäude, die Leute finden mich eigenartig." Doch ich lernte sehr schnell die Vorteile zu nutzen.

Mit 13 habe ich mit drei Freunden eine Band gegründet (Illegal Chickenfood). Das wir-projekt hat und damals einen Proberaum zur Verfügung gestellt, der heute das kreative Werk-RAUM darstellt. Der "RAUM" ist für mich und meinen Freundeskreis bis heute Zufluchtsort, Spielplatz und Partyraum (mehr unter "Jugendraum").

Ab diesem Moment konnte ich meine Jugend im wir-projekt in vollen Zügen genießen.

 

Als sich meine Eltern getrennt haben, übernahmen viele der damaligen Bewohner Verantwortung für meine zwei kleinen Geschwister und mich, die gerade die Phase durchleben in der es schwer ist, sich hier wohlfühlen zu können. Doch ich bin mir sicher, daß sie es überleben werden. Aus meiner Sicht, hatten wir hier eine schöne Kindheit, in der es uns an nichts fehlte.

Die Jahre zogen vorbei und Leute kamen und gingen. So viele unterschiedliche Charaktere von klein auf kennenlernen zu können, ist für mich eine Besonderheit an dem Haus, die mir sehr viel gebracht/genommen hat. Jeder brachte seine eigene Geschichte, sein eigenes Können und seine eigene Persönlichkeit mit in das Haus und hat hier, wie auch bei mir, seine Spuren hinterlassen.

 

Die Wg in der ich bisher wohnte (WG 1) war für mich meine Familie. Klar, die Bindung zu meiner Mutter und meinen Geschwistern ist auf einer anderen emotionalen Ebene, doch ich habe mich zu hause gefühlt und jeder Mitbewohner hat  hat mehr ocer weniger dazu beigetragen. Mittlerweile bin ich ausgezogen. Doch nicht einmal der Drang danach, außer greifbarer Reichweite der Familie zu sein, konnte mich vom wir-projekt trennen. Im Herbst 2013 haben sich drei Freunde mit mir, aus den ehemaligen Gewerberäumen der Krankengymnastik von Monika Scheu im 1.Stock, eine 4er WG (WG 2) hergerichtet. Mit Hilfe unserer handwrerklich begabten Mitbewohner bauten wir mit eigenem Schweiß die Bude um (mehr dazu unter WG 2).

Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Und das Schönste hier ist, daß man nahezu alles erreichen kann. Niemand zeigt dir einen Vogel, wenn du eine Rakete bauen möchtest. Im Gegenteil, sie wollen helfen. Das hört sich alles so rosig an, aber außer ein paar Steinen die im Weg liegen läft hier meiner Meinung nach alles bestens.

 

Es gibt sicher einige, die das wir-projekt verfluchen, weil sie hier ihr Glück nicht gefunden haben.

ICH kann bis heute, nach fast 20 Jahren, mit voller Überzeugung sagen, daß ich froh bin hier zu leben und nirgens anders anders aufwachsen hätte wollen.

 

Leo"